Die virtuellen Abbildungen echter Objekte oder Systeme spielen in der Industrie eine Schlüsselrolle. Leistungsverbesserung, Prozessoptimierung, Kostensenkung – es gibt vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Ein Beispiel aus der Pharmaindustrie mit Actemium.
Ob Architektur, Baubranche, Gesundheitswesen, Städtebau oder Handel – und nicht zu vergessen die Industrie: Digitale Zwillinge werden heute in sämtlichen Bereichen eingesetzt. „Von Planungsoptimierung und Produktinnovationen über betriebliche Effizienz, Verbesserung des Entscheidungsprozesses und Kostenreduzierung bis hin zur prädiktiven Instandhaltung und Verringerung der Stillstandszeiten – Digitale Zwillinge haben zahlreiche Vorteile“, unterstreicht Frank Berger, Digital Business Development Manager bei Actemium Deutschland.
Allerdings gibt es auch zahlreiche Hemmnisse für die Weiterentwicklung dieser Technologie (technisches Know-how, Kosten, Cybersicherheit, kulturelle Widerstände, Vorschriften usw.). Dennoch zeigt der Erfolg von Einrichtungen wie etwa der Frankfurter Digitalschmiede von VINCI Energies, wo mehrere Pilotprojekte für digitale Zwillinge entwickelt werden, dass ein reges Interesse an diesen digitalen Modellen besteht.
„VINCI Energies arbeitet mit unterschiedlichen Partner:innen zusammen, um digitale Innovationen voranzutreiben. Durch Initiativen wie die „Gallery Walks“ [virtuelle Besichtigungen] können konkrete Beispiele gezeigt werden, etwa in Industrie, Städtebau und Energiebranche“, so Berger weiter. Er fügt hinzu: „Actemium setzt bereits fortschrittliche Technologien wie mobile Scanner, Drohnen und 3D-CAD-Software ein, um digitale Zwillinge zu erstellen. Damit können die Anlagen vor Ort, Prozesse und Umgebungen genau erfasst und dargestellt werden.”
3D-Simulationen
Es gibt immer mehr Pilotprojekte und Einsatzmöglichkeiten. Amecha, eine Tochtergesellschaft von Vinci Energies in den Niederlanden, die sich mit Planung, Bau und Optimierung von Maschinen und Ausrüstung für die verarbeitende Industrie befasst und insbesondere Mechatronik-Lösungen entwickelt, arbeitet seit 2003 mit XR 4 Industry zusammen, einem Unternehmen, das Simulationen für die virtuelle Abnahme und Inbetriebnahme von Maschinen, Produktionslinien und Roboterlösungen entwickelt.
„Der Einsatz von Digitalen Zwillingen ist wesentlich für Projekterfolg und Termintreue.”
Beide Partner arbeiten seit 2023 an der Entwicklung einer Software zur Erstellung von Digitalen Zwillingen. „Zwei unserer Leute wurden für die Nutzung der hauseigenen Software von XR 4 Industry geschult und können 3D-Simulationen oder Digitale Zwillinge für noch in Entwicklung befindliche Maschinen programmieren. Damit sollen laufende Planungen validiert, unerwartete Probleme bei der Produktion verringert und der Zeitraum bis zur Inbetriebnahme verkürzt werden“, erläutert Rik Derkx, Engineering Manager bei Amecha.
Eines der derzeit in Entwicklung befindlichen Pilotprojekte hat sich bereits bewährt: Zu Testzwecken wurde ein CNC-System an den Digitalen Zwilling angeschlossen – mit Erfolg. „Jetzt müssen wir die Technologie des Digitalen Zwillings in unser eigenes Engineering integrieren, damit auch unsere Kund:innen davon profitieren können“, fügt Derkx hinzu.
Einzigartige technische Herausforderungen
In Deutschland ist Actemium bereits zur Anwendungsphase übergegangen. Die Industriemarke von VINCI Energies nutzte die Technik beispielsweise für einen Pharmakunden. Die 3D-Digitalisierung war in jeder Konstruktionsphase entscheidend“, bemerkt Michael Elstner, Mechanical Site Manager PMO bei Actemium Controlmatic West in Deutschland.
Das betreffende Projekt bestand in der Digitalisierung einer 180 Meter langen Rohrbrücke. „Solche komplexen Strukturen stellen besondere technische Herausforderungen dar, insbesondere wenn eine weitere Pipeline oder zusätzliche Ausdehnungsbögen hinzugefügt werden sollen“, erläutert Elstner. „Im vorliegenden Fall gab es drei kritische Punkte, wo die neue Pipeline angeschlossen werden sollte. Eine weitere große Herausforderung war die Digitalisierung des oberen Brückenteils auf 10 Metern Höhe. Hierfür kam ein Hubsteiger zum Einsatz.”
Actemium scannte den kompletten Standort und erstellte anhand der detaillierten Messungen einen Digitalen Zwilling, der als Planungsgrundlage für das komplette Projekt diente. „Mit diesen Daten konnte das Fehlerrisiko beträchtlich gesenkt und sichergestellt werden, dass alle Bauteile genau passen“, unterstreicht Elstner. Dank dieses digitalen Verfahrens erfolgte das Aufmaß mit nie dagewesener Präzision. Gegenüber herkömmlichen Verfahren ermöglichte das eine Zeitersparnis um 50 %.”
Echtzeit
Auch nach Baubeginn war die 3D-Digitalisierung von entscheidender Bedeutung. Mittels des Digitalen Zwillings wurde der Baufortschritt in Echtzeit dokumentiert, ein Soll-Ist-Abgleich durchgeführt und eventuelle Abweichungen ermittelt. „Das vereinfachte das Projektmanagement, verbesserte die Visualisierung von Meilensteinen und sicherte die Einhaltung der Zeitvorgaben“, unterstreicht Elstner. Mithilfe der Digitalisierung erfolgte auch die detaillierte Dokumentation, was die Kommunikation zwischen allen Beteiligten und die Bearbeitung von unvorhergesehenen Ereignissen erleichterte. Last but not least „stellen die erhobenen Daten mit einer Auflösung von 5 mm eine gute Grundlage für spätere Arbeiten dar und sichern die Passgenauigkeit“.
Für Michael Elstner ist in einer Branche wie der Pharmaindustrie, wo „der geringste Fehler erhebliche Konsequenzen haben kann, der Einsatz von Digitalen Zwillingen wesentlich für Projekterfolg und Termintreue“.
15/10/2025