Sanierung von Wasserkraftwerken als strategische Herausforderung
Lesezeit: 7 min.
Wasserkraft ist die bedeutendste erneuerbare Energiequelle in Frankreich und wesentlich für die Netzstabilität. Allerdings steht die Sanierung des alternden Kraftwerksparks an. Viel Arbeit für die nächsten fünfzehn Jahre.

Wasserkraftwerke spielen mit 12 % der französischen Gesamtproduktion eine grundlegende Rolle bei der Erzeugung erneuerbaren Stroms. Angesichts einer installierten verfügbaren Leistung von 25.000 MW(1) verfügt unser Nachbarland über einen der größten Wasserkraftwerksparks in Europa. Etwa 150 Wasserkraftwerke haben eine Produktionskapazität über 30 MVA(2), wobei die Leistung von einigen Dutzend bis zu mehreren hundert Megawatt reicht.
Die größten Wasserkraftwerke des Landes liegen hauptsächlich an den großen Flüssen, etwa der Rhône oder der Durance. Das Kraftwerk Grand-Maison im Departement Isère ist mit einer installierten Leistung von 800 MW eines der landesweit leistungsfähigsten.
Sanierung kommt nicht voran
Zahlreiche der immer noch genutzten französischen Wasserkraftwerke wurden zwischen 1900 und 1980 errichtet. Diese alternden Anlagen sind aufgrund ihrer langen Betriebsdauer zunehmend pannenanfällig – insbesondere die Generatoren.
Dabei spielen Wasserkraftwerke eine entscheidende Rolle für die Netzstabilität – Stichwort Flexibilität, Verfügbarkeit und Speicherkapazität. Pannen können zu längeren Produktionsausfällen und somit zu weniger verfügbarer Leistung führen – dies hat Auswirkungen auf die Gesamtenergieeffizienz des Landes.
„Unsere bedeutendste erneuerbare Energiequelle sichern und ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung der Netzstabilität erhalten.”
„Insbesondere moderne Generatoren sind deutlich leistungsfähiger“, unterstreicht Yann Lepront, BU-Leiter von Omexom Hydro Services. „Sowohl bei den Turbinen als auch bei den aktiven Komponenten der Generatoren hat es derartige Fortschritte gegeben, dass die Leistung um 20 % gesteigert und die Verluste reduziert werden können.”
Allerdings werden Sanierungsprojekte durch europäische Rechtsvorschriften ausgebremst – insbesondere gilt dies für die seit 2014 anwendbare Richtlinie über die Ausschreibung von Wasserkraftkonzessionen. „Aufgrund dieses Verfahrens haben die Betreiber:innen französischer Wasserkraftwerke bereits einige Sanierungs- und Modernisierungsprojekte aufgeschoben“, so Lepront. „Wird ihre Konzession nämlich nicht verlängert und gewinnt stattdessen ein:e Mitbewerber:in die Ausschreibung, bleiben sie auf ihren Sanierungskosten sitzen.”
Modernisierungsprogramm
Klimaziele und Energiewende haben den Sanierungsstau der klimafreundlichen – weil fossilfreien – Wasserkraftwerke inzwischen jedoch zum Politikum gemacht. Vor diesem Hintergrund arbeitet der französische Stromerzeuger EDF derzeit an einem Modernisierungsprogramm, das insbesondere auch die Generatoren umfasst. Das Programm zielt auf eine genaue Bestandsaufnahme der vorhandenen Anlagen und die Erfassung des Modernisierungsbedarfs ab.
„Natürlich möchte Omexom bei diesen Projekten dabei sein, unsere Mitarbeitenden stehen in den Startlöchern“, so Lepront weiter. Der BU-Leiter geht davon aus, dass dieses Programm „Arbeit für mindestens fünfzehn Jahre bringt. Natürlich muss dabei auch die Wiederverwertung des anfallenden Stahl- und Kupferschrotts mitgedacht werden.
Omexom Hydro Services verfügt über umfassendes Know-how bei der Modernisierung von Wasserkraftanlagen. Die Business Unit war in den letzten Jahren im EDF-Kraftwerk La Bâthie im Departement Savoyen tätig und steigerte dort die Produktion der sechs Turbinen von 80 auf 107 MVA pro Maschinensatz. Außerdem arbeitete Omexom Hydro Services in den Kraftwerken Sainte-Tulle im Departement Alpes de Haute-Provence und Montahut im Departement Hérault. Dort wurde die Leistung von 55 auf 60 MVA gesteigert. In Montahut läuft außerdem die Modernisierung eines zweiten Maschinensatzes, dessen Leistung von 50 auf 60 MVA steigen wird.
„Die Renovierung des bestehenden Kraftwerksparks sichert unsere bedeutendste erneuerbare Energiequelle und erhält ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung der Netzstabilität. Sonne und Wind sind dafür nämlich ungeeignet. Gleichzeitig wird die Leistung gesteigert“, erinnert Lepront. Angesichts der zunehmenden Nachfrage nach grünem Strom und der Umsetzung der Energiewende dürfte die Modernisierung von Wasserkraftwerken in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen.
„Kleinwasserkraftwerke“, Kleinode von landesweiter Bedeutung

Entlang der insgesamt 250.000 Kilometer langen französischen Bach- und Flussläufe gibt es knapp 2.300 Kleinwasserkraftwerke. Laut Erzeugervereinigung France Hydro Electricité produzieren diese Kraftwerke jährlich 6TWh Strom – genug, um 1,3 Millionen Haushalte zu versorgen, und immerhin 10 % der Gesamtproduktion der französischen Wasserkraftwerke. Insgesamt entfallen etwa 2.460 MW installierte Leistung auf Kleinwasserkraftwerke – das entspricht durchschnittlich etwa 1 MW pro Anlage.
„Große Wasserkraftwerke sind heutzutage kaum noch durchzusetzen. Kleinkraftwerke mit ihren geringen Umweltauswirkungen sind eine interessante Alternative – sie sind einfach zu realisieren und werden eher genehmigt“, erläutert David Fatou, BU-Leiter Actemium Grenoble. Neben der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz sind Kleinwasserkraftwerke, anders als unstete Energiequellen wie Wind und Sonne, kaum von Produktionsunterbrechungen betroffen.
Großes Potenzial
Allerdings müssen sie strenge Vorschriften zur ökologischen Durchgängigkeit einhalten (siehe Kasten), außerdem ist die Klassifizierung der Wasserstraßen zu berücksichtigen, die aufgestaut werden sollen. Trotz dieser Vorgaben, die den Bau neuer Anlagen erschweren, geht France Hydro Electricité von einem erheblichen Zubaupotenzial aus – etwa 2,7 bis 3,7 TWh.
Die französische Umweltagentur ADEME ist da vorsichtiger und beziffert das Potenzial für neue Kleinwasserkraftwerke bis 2035 auf 485 MW, das entspricht einem kleinen Kernkraftwerk. Aber die größte Bedrohung für den Ausbau der Kleinwasserkraft ist wohl der Klimawandel, der für schwankende Wassermengen sorgt.
Derzeit befinden sich die meisten Kleinwasserkraftwerke in Privateigentum. Einige gehören jedoch auch lokalen Stromversorgern. „Im Departement Haute-Savoie haben wir 2018 ein 1 MW-Kraftwerk in Bonneville und 2024 ein 1,2 MW-Kraftwerk in Le Bourgeat bei Sallanches gebaut“, sagt beispielsweise David Fatou, der noch großes Marktpotenzial sieht.
Neben der Arbeit für den französischen Stromversorger EDF und den Betreiber der Laufwasserkraftwerke an der Rhône CNR hat seine Business Unit zwei eigens auf Kleinwasserkraftwerke zugeschnittene Angebote aufgelegt: „Eines betrifft den Bereich E-MSR und Automatisierung von der Wasserentnahme bis zur Stromeinspeisung in das regionale Netz des Betreibers Enedis; das zweite ist ein Schlüsselfertig-Angebot, das neben E-MSR und Automatisierung auch die Planung, Beschaffung und Installation der Turbine und des Generators umfasst. Letzteres deckt ein Drittel unserer Projekte in diesem Marktsegment ab.”
Life4Fish: Fischschutz und erneuerbare Energie
In Wallonien (Belgien) haben EDF-Luminus, Profish sowie die Universitäten Namur und Lüttich in Partnerschaft mit Actemium das Projekt Life4Fish gestartet, damit Fische wie Lachse oder Aale unbeschadet die Wasserkraftwerke an der Maas passieren können. Gemeinsam mit den anderen Projektpartner:innen hat Actemium eine vielseitige Lösung entwickelt. Sie umfasst ein System, das die Öffnungszeiten des Wehrs steuert, den Aufbau eines elektrischen Felds unter der Wasseroberfläche, das die Fische zu einer speziellen Fischtreppe an den Turbinen vorbei leitet sowie ein Vorhersagemodell, um die Hauptwanderzeiten der Fische vorauszuplanen. Dank dieses Modells können die Fische sicher passieren, ohne dass die Turbinen abgestellt werden müssen.
(1) In MW (Megawatt) wird die von elektrischen Geräten für die Verrichtung einer Arbeit tatsächlich verbrauchte Leistung gemessen.
(2) In MVA (Megavoltampere) wird die elektrische Scheinleistung gemessen. Diese umfasst neben der Wirkleistung (MW) auch die Blindleistung (MVAr), also die Leistung, die zwischen Erzeuger und Verbraucher pendelt und keine Arbeit verrichtet.
15/12/2025