Gehen Sie direkt zum Inhalt der Seite Gehen Sie zur Hauptnavigation Gehen Sie zur Forschung

Standpunkte von Persönlichkeiten, Topmanagern, Forschern, Meinungsführern zu einem aktuellen oder strukturgebenden Thema in Bezug auf digitale Transformation und Energiewende.

In den Augen von Bruno Grandjean, Vorsitzender des Verbands der französischen Anlagenbauer (FIM) und Vorstandsvorsitzender von Redex, ermöglicht die Digitalisierung eine echte Renaissance der französischen Industrie. Aber dazu müssen Nachwuchstalente gewonnen werden.

In Form von Maschinen, Robotern und allen Produktionssystemen steht der Anlagenbau im Zentrum eines jeden Werks. Anlagenbauer sind gewissermaßen die Architekten von Fabriken. In diesem Sinne ist die digitale Revolution eine Riesenchance und bietet Frankreich die Gelegenheit, in einem Rennen noch einmal Fahrt aufzunehmen, in dem es bereits um die Jahrtausendwende auf die hinteren Plätze zurückgefallen ist.

Frankreich hat in den letzten fünfzehn Jahren weltweit Marktanteile im Wert von 1.700 Milliarden Euro verloren! Die französische Industrie erwirtschaftet heute nur noch 10 % des BIP, in Deutschland sind es 20 %. Verbrannte Erde also, die nun wieder aufgeforstet werden muss. Ein Baum wächst nicht innerhalb von zwei oder drei Jahren, genauso wenig wie ein Industriesektor. Aber zum ersten Mal schuf die Branche im letzten Jahr wieder Arbeitsplätze, die Robotisierung beschleunigte sich, der Umsatz wuchs um 25 %.

Diese digitale Revolution besteht natürlich aus zahlreichen technologischen Mosaiksteinchen. Aber vor allem erwartet uns eine Managementrevolution. Ein Maschinenführer hat heutzutage auf dieselben Daten und Informationen Zugriff wie ein Vorarbeiter oder sogar ein Ingenieur. Die Arbeit wird immer stärker im Netzwerk geleistet, im Projektmodus. Unter anderem durch Coboter oder AGVs (*) übernimmt der einzelne Mitarbeiter zunehmend Verantwortung für seine Tätigkeit.

Und gerade durch eine bessere Arbeitsqualität und mehr Engagement wird auch eine höhere Produktivität erreicht. Angesichts dieser neuen Gegebenheiten ist die alte, hierarchische Organisationsstruktur nicht mehr zu halten. Firmen wie Michelin, Toyota oder VINCI sind Vorreiter bei diesen Themen.

Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand

Diese Revolution wird erst durch Technik möglich. Bisher wurde der Produktionsrhythmus von Maschinen bestimmt, der Mensch musste sich anpassen. Ab sofort arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand.

Der „Coboter“, der keinen Käfig mehr braucht und zum Assistenten des Monteurs wird, kann nach und nach alle schweren und eintönigen Tätigkeiten übernehmen.  Das Internet der Dinge (IoT) macht Maschinen zu intelligenten und durch zahlreiche Sensoren sogar zu fühlenden Wesen. Es verändert auch die Geschäftsmodelle, weil jetzt genaue Daten über die Produkte und deren Nutzung durch die Kunden ausgewertet werden können.

Grundlegendes Fachwissen muss erhalten bleiben, um sich nicht völlig von der Technik abhängig zu machen.

Berufe verschwinden, aber gleichzeitig entstehen neue Arbeitsplätze, etwa im Bereich IT-Sicherheit – heute eine der größten Herausforderungen für einen Industriebetrieb. Aber auch wenn die Digitalisierung Berufsbilder neu definiert, dürfen manche Berufe nicht verloren gehen. Spezifische Kompetenzen, grundlegendes Fachwissen muss erhalten bleiben, um sich nicht völlig von der Technik abhängig zu machen.

Es liegt auf der Hand, die Industrie ist sich ihrer notwendigen Modernisierung bewusst geworden. Das hat auch mit den Branchenverbänden zu tun, unter anderem mit dem Start der „Allianz für die Industrie von morgen“ im Juli 2015, gepaart mit einer neuen Fördermaßnahme in Form höherer Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in Produktionsmittel. Diese Signale sind zwar schwach, aber vernehmbar und zeigen, dass Frankreich handeln will.

Nachwuchstalente gewinnen

Dieses Jahr setzen wir vorrangig auf die Gewinnung von Nachwuchstalenten, denn sie sind entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die junge Generation hat sich allerdings von der Industrie abgewandt. Wir glauben natürlich an die künstliche Intelligenz und die neuen Technologien, aber wir glauben vor allem an die Männer und Frauen, die sich in unseren Unternehmen engagieren und der wichtigste Erfolgsfaktor der französischen Industrie sind.

Deshalb werden wir zahlreiche Aktionen durchführen, die im November in „L‘Usine Extraordinaire“ (die außergewöhnliche Fabrik) gipfeln, die im Grand Palais in Paris unter dem Label „French Fab“ präsentiert werden soll. Es handelt sich dabei um eine originalgetreue Fabrik mit Maschinen, Bedienpersonal und Ingenieuren, die für eine gewisse Zeit in dieser großen Ausstellungshalle entsteht. Ein Event, das danach auf eine Tournee durch ganz Frankreich geschickt wird, um zu zeigen, dass Industrie heute nicht mehr gleichbedeutend ist mit Schwerstarbeit, Lärm, Schmutz und Gefahr, sondern mit Innovationen.

2018 wollen wir außerdem vorrangig dafür sorgen, dass die Führungskräfte in der Industrie weitere Kompetenzen erwerben. Dafür sorgen unsere „accélérateurs“ (Beschleuniger), die seit 2016 in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Investitionsbank BPI und mehreren Ingenieurshochschulen Schulungen anbieten, um neue Arbeitsmethoden zu verbreiten. Denn wie gesagt: Für die digitale Revolution in der Industrie braucht es zunächst eine Managementrevolution.

(*) Coboter: (Nicht autonome) Roboter, die in Kooperation mit einem menschlichen Arbeiter für das Materialhandling eingesetzt werden AGV: Selbstfahrendes Materialtransportfahrzeug

 

19/03/2018

Bruno Grandjean

Vorsitzender des Verbands der französischen Anlagenbauer (FIM) und Vorstandsvorsitzender von Redex

Mehr erfahren