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Zwei Persönlichkeiten - Topmanagern, Forschern, Meinungsführern - tauschen sich über Erfahrungen, Analysen, Standpunkte zu einem strukturgebenden Thema in Bezug auf digitale Transformation und Energiewende.

In einer immer komplexeren, sich ständig verändernden Welt ist die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter und insbesondere der Führungskräfte eine Aufgabe von überragender Bedeutung. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen auch neue Methoden, ungewöhnliche oder wenig verbreitete pädagogische Ansätze ausprobiert werden. Damit beschäftigt sich thecamp, eine Fachstelle für Innovation und Akkulturation, die im Dezember 2017 in Aix-en-Provence ihre Pforten geöffnet hat. VINCI Energies ist einer der Gründungspartner. Walter Baets vom Advisory Board member thecamp im Gespräch mit Eddy Vandersmissen, Leiter der Academy VINCI Energies.

 

VINCI Energies ist einer der Gründungspartner von thecamp. Wie können Sie sich gegenseitig bei der Begleitung des Transformationsprozesses unterstützen?

Eddy Vandersmissen. Die Welt ist im Wandel. Und Wandel steht bei VINCI Energies im Mittelpunkt, denn wir wollen Energiewende und digitale Transformation effizient gestalten. Energiewende, digitale Transformation – das verbindet uns mit thecamp.

Die Erstausbildung unserer Führungskräfte und des gesamten Personals ist sicher hervorragend, aber zunehmend stellt sich heraus, dass der analytische Ansatz als Grundlage der Pädagogik und des Unterrichts an den betriebswirtschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Hochschulen nicht mehr ausreicht. Innovationen entstehen aus Umbrüchen, dazu braucht es andere Kompetenzen.

Welche?

E.V. Kompetenzen, wie man sie eher im Designbereich findet. Intuitives Denken ist gefragt. Und das ist in meinen Augen der Mehrwert von thecamp für ein Unternehmen wie VINCI Energies.

Walter Baets. Kann man Wandel tatsächlich unterrichten? Ich glaube eher, dass man den Wandel ganz einfach betreibt. Und das macht den Ansatz von thecamp so einzigartig. Ein CEO hat bei den Gesprächen während der Gründung von thecamp Folgendes gesagt: „Meine Führungskräfte sind gut ausgebildet. Aber wenn Sie es schaffen, dass sie sich verändern, sich bewegen, in dieser neuen, komplexen und unsicheren Welt Fuß fassen, dann ist das ein echter Erfolg.“ Was die Wirtschaft braucht, ist eine neue Software, ein neues „Mindset“. Und genau das verspricht thecamp.

Analytisches Denken reicht nicht mehr aus, haben Sie gesagt. Aber steht es der neuen Software, von der sie sprechen, nicht im Weg?

E.V. Analytisches und intuitives Denken sind keine Gegensätze, sondern müssen beide gefördert werden. Durch analytisches Denken hat die Wirtschaft enorme Fortschritte erzielt: Bessere Organisation, höhere Rendite, mehr Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt. Jetzt stoßen wir allerdings an die Grenzen unseres Modells, weil es uns daran hindert, wirklich innovativ zu sein, einfach mal etwas auszuprobieren, Risiken einzugehen. Durch intuitives Denken können wir wieder Fortschritte erzielen, vorankommen. Die Kombination aus analytischem und intuitivem Denken schafft einfach mehr Chancen.

W.B. Wir brauchen systemische, integrierte Ansätze, davon sind wir bei thecamp überzeugt. Allzu lange haben wir Organisationsstrukturen, Methoden, Denkmodelle gegeneinandergestellt. Wandel wird sich aus systemischer Weiterbildung ergeben. Systemisch sein heißt, den Kontext, die Technologien, die Umbrüche zu verstehen; natürlich ist damit auch gemeint, schneller und agiler Innovationen zu entwickeln; ferner bedeutet es eigene Veränderung, kritische Selbstbetrachtung; schlussendlich geht es darum, zu einer besseren Welt beizutragen.

E.V. Eine gute Selbstkenntnis ist der Schlüssel und Ausgangspunkt jedes Transformationsprozesses. Da bin ich völlig bei Ihnen.

Sie verfolgen beide ein klares Ziel. Aber wie wollen Sie im Unternehmensalltag andere davon überzeugen? Eine komplexe Welt, an die man sich ständig neu anpassen muss – das ist sicher spannend, aber auch ein Stressfaktor…

E.V. Die Digitalisierung macht manchmal Angst, das wissen wir nur zu gut. Gut durchmischte Teams können zum Abbau solcher Bedenken beitragen: Die Jüngeren bringen ihre Agilität ein, die Älteren ihre Erfahrung und damit einen gewissen Realitätssinn. Das ist für alle eine große, gegenseitige Bereicherung.

W.B. Die Mischung macht‘s! Unterschiedliche Altersstufen, unterschiedliche Profile. Aber auch eine Mischung der verschiedenen Phasen und Zeiten, so dass Fortbildung, Ausbildung und Arbeit nicht mehr voneinander getrennt sind. Learning by doing, das ist der Schlüssel: Durch die Arbeit lernt man, während man lernt, arbeitet man.

E.V. Bei VINCI Energies haben wir einen „Digitalisierungs-Führerschein“ entwickelt. Das ist eine Anwendung des Digital Lab unserer Academy, eine neunzigminütige eLearning-Schulung zu allen angstbesetzten Begriffen der Transformation. So können wir den Wandel begleiten, Ängste nehmen und alle mitnehmen.

Es gibt einige Methoden, um in einer komplexen Welt voran zu kommen, aber thecamp setzt stark auf die aktive Pädagogik. Worum handelt es sich und was sind die Vorteile?

W.B. Das Problem beim Lernen ist, dass man ja gar nicht weiß, was man nicht weiß! Was man nicht weiß, entdeckt man erst, wenn man die entsprechenden Kenntnisse braucht. Deshalb ist es sehr wichtig, Situationen zu schaffen, die zeigen, was man nicht weiß, und die zum selbständigen Lernen anregen. Der Projektmodus ist dafür hervorragend geeignet. Aktive Pädagogik heißt, dass der Lernende sich die notwendigen Kenntnisse genau dann aneignen kann, wenn er sie braucht. Dieser Ansatz ist individuell abgestimmt, an den Bedarf jedes Einzelnen angepasst und nicht „gemittelt“, damit er auf eine von Natur aus heterogene Gruppe angewendet werden kann. Dank der neuen Technologien ist das heutzutage kein Problem mehr. Es gibt entsprechende Anwendungsmodule, die man ganz nach Bedarf herunterladen kann. Mit einem MOOC hat das nicht mehr viel zu tun.

Kann das Konzept in einem Unternehmen wie VINCI Energies wirklich funktionieren?

E.V. Der Lernende muss selbst die Verantwortung für sein Lernen übernehmen. Um hier Fortschritte zu erzielen, zähle ich auf unsere Zusammenarbeit mit thecamp, so dass alle unsere Mitarbeiter diese neuen Methoden nutzen können.

Das Silodenken muss überwunden werden, so heißt es häufig – geht es dabei eher um einen Wandel der Organisationsstruktur oder eher um ein Umdenken in den Köpfen?

E.V. Silos gibt es sowohl in den Köpfen als auch in der Organisationsstruktur, das ist nichts Neues! Von Silodenken hat man schon vor 30 Jahren gesprochen! Silodenken überwinden, Zeit und Raum für Zusammenarbeit schaffen – das ist gar nicht so einfach.

W.B. Das herkömmliche Managementsystem beruht auf Organisation, Kontrolle, Effizienz. Am Einfachsten geht das, wenn man alles in Einheiten unterteilt, eben in Silos. Eine komplexe Welt zu akzeptieren bedeutet jedoch, loszulassen, die Kontrolle aufzugeben. Das erfordert Mut.

Ist das aus dem Blickwinkel der Organisationseffizienz betrachtet überhaupt realistisch?

E.V. Natürlich. Es ist immer eine Frage des Gleichgewichts und des rechten Maßes. Bei VINCI Energies haben wir La Factory gegründet, eine Innovationsplattform, die Zusammenarbeit und Horizontalität fördern soll. Und was stellen wir fest? Dort herrscht reger Publikumsverkehr, wir ziehen damit Leute von außen an…Das ist eine Initiative, die Silodenken überwindet, ohne alles umzustoßen. Ein weiteres Beispiel: Die Mitglieder unserer Arbeitsgruppen kommen durchweg aus unterschiedlichen Fachbereichen und Abteilungen. Das funktioniert gut, weil alle an einem Strang ziehen. Das geht aber nur mit Vertrauen und Eigenständigkeit.

W.B. Innovationen haben meistens mit Unternehmen zu tun, Gründerzentren, Beteiligungen an Start-Ups usw., und kommen zu wenig von innen. Es gibt noch zu wenig „Intrapreneurship“. Das ist zwar im Kommen, aber noch sehr begrenzt. Dieser Weg ist leichter zu beschreiten. Man muss nur dafür sorgen, dass dabei nicht wieder ein Silo entsteht!

Wie stellt man sicher, dass die Schulung von einem Dutzend Führungskräften nicht nur allen in angenehmer Erinnerung bleibt, sondern wirklich einen Wandel im Unternehmen bewirkt?

E.V. Im Unternehmen muss ein Prozess umgesetzt werden, um die vermittelten Inhalte mit Leben zu füllen und die Teilnehmer zu Botschaftern zu machen. Die Weitergabe der erworbenen Kompetenzen ist ein wesentlicher Teil des Projekts. Jedes Unternehmen muss die Modalitäten selbst festlegen.

W.B. Wandel braucht Zeit. Auf einer „Transformation Journey“ – eine Reise, die Monate, manchmal auch Jahre dauert – gibt es natürlich mehrere Zwischenstopps bei thecamp, aber sie muss im Unternehmen selbst weitergehen. Wie? Zum Beispiel, indem an dem bei thecamp begonnenen Projekt weitergearbeitet wird. Oder indem man ein neues Projekt beginnt. Genau darum geht es.

Inwiefern haben Neue Technologien und Künstliche Intelligenz Einfluss Ihre Schulungen?

E.V. Wir stehen noch ganz am Anfang eines riesigen Umbruchs. Wir sollten verfolgen, was am Markt geschieht, beobachten, uns Zeit lassen, nichts überstürzen, denn ansonsten könnten die Schulungen sehr kostspielig werden, fürchte ich.

W.B. Da kommt sicher Einiges auf uns zu! „Machine Learning“ und „Deep Learning“, die so genannten exponentiellen Techniken, ermöglichen in Zukunft maßgeschneiderte Kurse „on demand“.

Walter Baets

Walter Baets

Advisory Board member thecamp

 Eddy Vandersmissen

Eddy Vandersmissen

Leiter der Academy VINCI Energies

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