Gehen Sie direkt zum Inhalt der Seite Gehen Sie zur Hauptnavigation Gehen Sie zur Forschung

Angesichts explodierender Energiepreise stehen Unternehmen und Gebietskörperschaften, die selbst produzierten Strom verbrauchen, besser da als andere. Beispiele aus Frankreich.

Unternehmen und Gebietskörperschaften stehen in der Energiekrise an vorderster Front. Sie leiden unter der Vervielfachung ihrer Gas- und Stromkosten. Der Fall der Firma Duralex war in Frankreich in den Schlagzeilen und wurde zum Sinnbild der von explodierenden Energiepreisen gebeutelten Wirtschaft.

Der französische Glashersteller, dessen Energiekosten von 2 Mio. Euro im Jahr 2021 auf 13 Mio. Euro im Jahr 2022 angestiegen sind, musste Anfang September 2022 Kurzarbeit anmelden und wird die Produktion in diesem Winter aussetzen.

Im Juli richtete die französische Regierung ein Gas- und Stromhilfsprogramm für energieintensive Unternehmen ein, das bis Jahresende verlängert wurde. Bereits am 20. September war die Anzahl französischer Unternehmen, die sich bis Ende 2022 aufgrund der Energiepreisexplosion in Schwierigkeiten befinden dürften, auf etwa 300 angewachsen. Auch die Gebietskörperschaften schlagen Alarm.

Drei Viertel der französischen Firmen haben keinen Energiesparplan.

Seit Ausbruch des Ukrainekrieges wird mehr denn je nach Einsparmöglichkeiten gesucht. Allerdings, so das Ergebnis der letzten Unternehmensumfrage, die Opinion Way im September im Auftrag der französischen IHK, La Tribune und LCI veröffentlichte, gibt es in knapp drei Viertel (74 %) aller Unternehmen nach wie vor keinen spezifischen Plan zur Verringerung des Energieverbrauchs. Das gilt jedoch nicht für VINCI, wo man am 22. September 2022 einen Energiesparplan für Frankreich ankündigte.

Derzeit noch eine Randerscheinung

Andere Unternehmen setzen auf Eigenverbrauch. Ist eine eigene Stromproduktion letztlich nicht die beste Lösung, um selbst über seine Energieversorgung entscheiden zu können? Dennoch ist dies nach wie vor eine Randerscheinung. Die neuesten Zahlen dazu stammen aus einer Erhebung des französischen Energieforschungsinstituts Ceren im Auftrag von ADEME und EDF und wurden 2020 vorgelegt. 2016 bezog die Industrie nur 4 % ihres Strombedarfs, das entspricht 5 TWh, aus Eigenverbrauch. Davon wurden 55 % vor Ort genutzt, der Rest weiterverkauft.

Die vielversprechenden Initiativen einiger Vorreiter dieses Versorgungsmodells lassen jedoch auf hervorragende Zukunftsaussichten für den Eigenverbrauch schließen. Biocoop ist einer dieser Pioniere. Bereits 2015 installierte der Bio-Lebensmittelhändler eine 2.000 m² große PV-Anlage auf dem Dach seines Logistikzentrums in Melesse (Bretagne). Damals war das die größte Eigenverbrauchs-Photovoltaikanlage in Frankreich. Sie deckt etwa 15 % vom Gesamtbedarf des 9.400 m² großen Lagers.

Eigenverbrauch ist hier umso interessanter, als die saisonalen Produktionsschwankungen auf dem Dach parallel zu den Verbrauchsschwankungen des Zentrums verlaufen: „Im Sommer produzieren wir viel Strom, gleichzeitig läuft die Kühlung unter Volllast“, so Biocoop.

Zahlreiche Initiativen

Heute steht die größte französische PV-Anlage für den Eigenverbrauch im südfranzösischen Departement Corrèze. Mit 10.000 m² PV-Modulen produziert die dortige Obstanbau-Genossenschaft Cooplim 25 % ihres Stroms selbst. Die Anlage erzeugt 1.572 MWh und könnte somit theoretisch 300 Haushalte versorgen.

Aber auch diese Leistung scheint recht bescheiden angesichts riesiger Projekte außerhalb Frankreichs: Im spanischen Tourismuskomplex PortAventura World in der Provinz Tarragona wird gerade auf 6,4 Hektar eine Anlage mit etwa 10 GWh und über 11.000 PV-Modulen installiert.

Ein weiterer französischer Pionier ist die Firma Bio Planète. 2016 ließ diese im südfranzösischen Bram ansässige, größte europäische Bio-Ölmühle im Zuge der Erweiterung des Produktionsstandorts eine 80kW-Anlage installieren, die mindestens 20 % des Jahresstromverbrauchs ihrer kontinuierlich arbeitenden Ölpressen deckt.

Marceau Amalric, ein mittelständischer Maschinenbauer in Südwestfrankreich, ließ 2018 ebenfalls PV-Module für den Eigenverbrauch montieren. Damit erzeugt er über 40 % seines Strombedarfs. Das spart 25 % Netzstrom und die damit einhergehenden Kosten.

Einige Großprojekte

Auch der Decathlon-Konzern lässt seit einigen Jahren PV-Anlagen an seinen eigenen Standorten bauen. Die Parkplätze von zehn Ladengeschäften wurden mit Solar-Sonnendächern ausgestattet, einige Märkte, etwa in Vélizy, Passy oder Avignon, verfügen über Dachanlagen.

Auf dem „Mountain Store“ in Passy am Fuße des Mont-Blanc wurden gleich zwei Anlagen in Betrieb genommen, davon eine ausschließlich für den Eigenverbrauch. Sie hat eine Leistung von 200 kWp und produziert 236 MWh pro Jahr. Dadurch stößt das Geschäft jährlich 21 Tonnen CO2 weniger in die Atmosphäre aus.

Die Anlage wird zwanzig Jahre lang vom Konzessionsnehmer Helexia betrieben, gewartet und instandgehalten, eine Tochtergesellschaft von Voltalia. Somit waren keinerlei Anfangsinvestitionen seitens Decathlon notwendig und der Konzern nutzt die auf seinen Dächern vorhandene Fläche. Nach Ablauf des Konzessionsvertrags fällt die Anlage an den Konzern zurück und dieser kann dann praktisch zum Nulltarif weiter eigenen Strom produzieren. Bis 2026 will er in Frankreich 80 Standorte ausstatten.

Auch VINCI Energies nutzt Dachflächen für den Eigenverbrauch. Dachanlagen, die von seiner Tochtergesellschaft ELIOVE errichtet werden. „Dieser Ansatz ist in vielerlei Hinsicht einzigartig“, unterstreicht Aymeric Tissandier, Manager bei VINCI Facilities.

SNCF hat große Ambitionen

Wie Decathlon übernimmt auch der Weltmarktführer für Homöopathika, die Firma Boiron, nach Ablauf der Konzession die neue PV-Anlage, die im Frühjahr 2024 in Betrieb gehen soll. Dann kann das Unternehmen sie entweder selbst weiterbetreiben oder einen neuen Betreibervertrag abschließen.

Derzeit lässt es auf dem Parkplatz am Hauptsitz in Messimy südwestlich von Lyon Sonnendächer für eine Anlage mit einer Leistung von 2,4 MW errichten. Es handelt sich dabei um die drittgrößte Anlage für den Eigenverbrauch in Frankreich. Sie deckt 13 % des jährlichen Strombedarfs am Standort ab.

Der grüne Stromerzeuger CVE investiert 2,7 Mio. Euro, und Boiron „sichert sich erneuerbaren Strom und bremst gleichzeitig den steilen Anstieg der Energiepreise, der von der dreifachen Krise – Klima, Geopolitik, Wirtschaft – befeuert wird“, so Pierre de Froidefond, Covorsitzender von CVE, am 5. August 2022 in Les Echos.

Aber das ambitionierteste Projekt verfolgt zweifellos der SNCF-Konzern. Die französische Staatsbahn verfolgt eine parallele Energiespar- und Digitalisierungspolitik. Mit 9 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr ist sie der größte industrielle Stromverbraucher Frankreichs und will daher die Möglichkeiten zur Produktion eigenen Stroms ausloten.

Die SNCF verfügt hier über einen großen Vorteil: viel ungenutzten Platz am Boden und auf Dächern.

Über die Unternehmenseinheit SNCF Immobilier erfasst der Bahnkonzern derzeit alle Freiflächen ab zwei Hektar, die für Eigenverbrauchs-Solarprojekte nutzbar wären. Allein die Dächer der größten Bestandsgebäude bieten ein Potential von 16 Hektar. Gares & Connexions, eine Tochtergesellschaft der SNCF Réseau, die sich um den Betrieb der Personenbahnhöfe kümmert, will bis 2030 1,1 Mio. Quadratmeter PV-Module installieren.

 


Größtes kollektives Eigenverbrauchsprojekt in Frankreich

Die erste Anlage des Projekts SerenyCalas wurde am 10. November 2021 eingeweiht und liefert grünen, lokalen Strom für das größte Eigenverbrauchs-Bürgerprojekt in Frankreich. Sie wurde auf dem Dach des Schulzentrums Petit Lac in der Gemeinde Cabriès-Calas (Südfrankreich) installiert und produziert jährlich 282 MWh Strom. Damit deckt sie den kompletten Strombedarf des Schulzentrums; der Überschuss wird im Stadtviertel verteilt.

Im Umkreis von zwei Kilometern beziehen gut hundert Haushalte und Einspeisepunkte Strom von diesem Bürgerprojekt, das von der Firma SerenySun Energies gemanagt wird. Das Modell des kollektiven Eigenverbrauchs ermöglicht auch Mieter:innen und Menschen, die sich die Investition in eine eigene PV-Anlage nicht leisten können, die Nutzung lokal produzierten, grünen Stroms.

Das Projekt umfasst im Endausbau vier Produktionsanlagen: zwei Schulzentren, eine private Veranstaltungshalle sowie ein städtisches Sportzentrum. Die Gesamtfläche umfasst 4.000 m² PV-Module, pro Jahr können knapp 1.000 MWh Strom produziert und so 222 Tonnen CO2 eingespart werden.

 

12/01/2023