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Wasserstoff muss noch einige Hindernisse überwinden, um zu einem Vektor der Energiewende zu werden und effizient zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft beizutragen. Das dürfte aber schon bald geschafft sein. Dann wird es durchaus möglich sein, grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen.

Sind in absehbarer Zukunft alle Voraussetzungen erfüllt, um Wasserstoff zum zentralen Vektor der Energiewende zu machen? In fünf bis zehn Jahren könnte das durchaus der Fall sein: Industrie, Investor_innen und öffentliche Hand kündigen ein Jahrzehnt des Wasserstoffs für eine saubere Mobilität, Industrie und Energiespeicherung an.

Wasserstoffgas – genauer Di-Wasserstoff – wird schon seit Jahren in der Chemieindustrie zur Herstellung von Ammoniak und in der Erdölbranche zur Raffinierung eingesetzt.

„Potentiell ist Wasserstoff eine kohlenstofffreie Alternative für sämtliche Energieträger.“

Wasserstoff verbrennt zwar CO2-frei, die Erzeugung ist jedoch meist deutlich weniger umweltfreundlich. „Derzeit ist 96 % des weltweit verbrauchten Wasserstoffs „grau“. Er wird durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen, ein Prozess, bei dem ein Methanmolekül (CH4) in Wasserstoff (H2) und das Klimagas Kohlendioxid (CO2) aufgespalten wird“, erläutert Antoine de Broves, Leiter Technik und Innovation bei Omexom (VINCI Energies).

Die Erzeugung von Wasserstoff durch Dampfreformierung ist also ökologisch unbefriedigend.

Um das Gas zu einer echten Alternative für den Verkehrssektor zu machen, müsste „grüner“ Wasserstoff hergestellt werden. „Der so genannte „grüne“ Wasserstoff entsteht durch die elektrolytische Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Kommt der für die Elektrolyse notwendige Strom aus kohlenstofffreien Quellen wie Sonne oder Wind, entsteht dabei kein CO2“, erklärt de Broves.

Preislich wettbewerbsfähig

Die industrielle Produktion von „grünem“ Wasserstoff kostet derzeit aber noch etwa 5 Euro pro Kilo, „grauer“ Wasserstoff ist bereits für 1,50 Euro zu haben. Diese Mehrkosten waren bis dato ein riesiges Handicap. Allerdings nicht mehr lange, meint Vito-Edoardo Di Virgilio, Eco-Efficiency & Innovation Advisor bei Actemium, der VINCI Energies-Marke für Industrieprozesse.

Die Elektrolysetechnik wird zusehends besser und effizienter“, so der Experte. „Außerdem steigt die Ausbeute mit der Größe der Elektrolyseanlage, der Volumeneffekt sorgt also für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Zudem werden erneuerbare Energien immer wirtschaftlicher, so dass auch der grüne Wasserstoff weniger kostet.“

Der jüngste Bericht des Hydrogen Council wurde im Januar 2020 veröffentlicht und trägt den Titel Path to Hydrogen Competitiveness: A Cost Perspective. Er zeigt, dass durch massive Investitionen in die Branche die Kosten für Produktion, Speicherung, Verteilung und somit die Nutzung des Wasserstoffs für eine Vielzahl von Anwendungen bis 2030 um 50 % sinken könnten. Somit wäre Wasserstoff eine wirtschaftliche Alternative und könnte Anwendungsbereiche CO2-frei machen, in denen heute noch sehr viele fossile Energieträger verbrannt werden.

Beteiligung von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft

Dieser positive Trend führt in den letzten Jahren zu immer höheren Investitionen, angefangen bei den europäischen, nationalen und lokalen Behörden. So legte die Europäische Kommission im März 2020 die European Clean Hydrogen Alliance auf. Sie soll im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft Investoren und Regierungsstellen, Institutionen und Industrie zusammenbringen. „Die französische Region Normandie hat bereits 2016 das Programm EAS-HyMob gestartet, um mit einer fünfzigprozentigen Kofinanzierung der EU ein Netzwerk aus 15 Wasserstofftankstellen aufzubauen“, unterstreicht Di Virgilio. An diesem Projekt war auch Actemium beteiligt.

„Durch diese Anstrengungen von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft fällt ein Hindernis für den zukünftigen Wasserstoffboom weg, insbesondere im Verkehrssektor: Es gibt derzeit noch zu wenig Infrastruktur, sprich Wasserstofftankstellen. Diesbezüglich befinden wir uns heute auf demselben Stand wie die Elektromobilität vor etwa zehn Jahren“, unterstreicht de Broves.

Aufgrund des Klimanotstands und der damit einhergehenden CO2-Besteuerung gewinnen kohlenstofffreie Lösungen, etwa auf Grundlage von Wasserstoff, noch mehr an Interesse.

Lokale Produktion

Zwei Hindernisse müssen noch überwunden werden: Speicherung und Transport des Wasserstoffs. Aufgrund der sehr geringen Energiedichte dieses Gases muss es mit sehr hohem Druck (350 bis 700 bar) komprimiert werden. Die Komprimierung als solche kostet Energie, und der Transport erfordert dickwandige Behälter, die aufgrund ihres Gewichts den Kraftstoffverbrauch in die Höhe treiben.

Die Lösung könnte darin liegen, den Wasserstoff direkt vor Ort herzustellen. Das tun wir etwa in Rouen im Rahmen des Projekts ‚Tankstelle von morgen‘“, so de Broves.

Technischer Fortschritt und umfangreiche Investitionen in die entsprechenden Projekte senken also die Kosten für eine Vielzahl von Wasserstoffanwendungen. Laut Hydrogen Council dürfte in fünf Jahren die Wettbewerbsfähigkeit im Verkehrssektor erreicht sein, insbesondere bei Zügen, Lkw, Bussen, Taxis und Schiffen sowie in der Heiztechnik. Bis 2030 soll das auch für Pkw und industrielle Heizsysteme der Fall sein.

Potentiell ist Wasserstoff eine kohlenstofffreie Alternative für sämtliche Energieträger“, meint di Virgilio sogar. „Bereits heute wird nach dem Prinzip „Power to Gas“1 grüner Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist und ersetzt so einen Teil des Methans – der CO2-Ausstoß sinkt. Seit vier Jahren entwickelt GRTgaz mit Beteiligung von Actemium die Demonstrationsanlage ‚Jupiter1000‘, um dieses Verfahren zu testen.“

1 Bei Power to Gas wird Strom eingesetzt, um durch Wasserelektrolyse Wasserstoff zu erzeugen. Dieser Wasserstoff übernimmt dann die Rolle eines Energievektors und wird beispielsweise ins Erdgasnetz eingespeist.

19/11/2020